Segler-Club Gothia e.V.

Wintersegeln auf der Unterhavel

Wintersegeln auf der Unterhavel - Photo © Kirstin 2020

Wintersegeln auf der Unterhavel – Photo © Kirstin 2020

Klimawandel & Wintersegeln in Berlin

Ich schreibe diesen Artikel Mitte Februar 2020. Laut derzeitiger 14-Tage-Wettervorhersage ist kein strenger Frost in Sicht. Klimawandel oder nicht?

Ich glaube an den Klimawandel, daher kann ich das Boot im Winter im Wasser lassen, um weiter zu segeln? Es ist eine Idee und auch eine mögliche neue Erfahrung. Es gibt auch andere Motive, sein Boot im Winter im Wasser zu lassen. Vom Klimawandel möchte ich hier nicht schreiben. Dieser wird in allen Medien thematisiert. Vielmehr möchte ich ein wenig von den persönlichen Erfahrungen des Wintersegelns berichten.

Winter 2020 in Berlin, der Hafen des SCG ist eisfrei - Photo © SailingAnarchy.de 2019

Winter 2020 in Berlin, der Hafen des SCG ist eisfrei – Photo © SailingAnarchy.de 2019

Wir hatten nach dem offiziellen Aufslippen Anfang November schon fünf wunderbare Segeltage auf dem Wasser mit der Spaekhugger.

Der Reihe nach: Bekanntlich habe ich die Spaekhugger „Filou“ von Reiner erworben. Nach einer mehr oder weniger aufwendigen Sanierung des Unterwasserschiffes lag die Spaekhugger dann Ende September 2019 mit stehendem Mast segelfertig im Wasser. Nach ersten Törns wurden Fallen und Strecker ausgetauscht bzw. optimiert. Ende Oktober war die Spaekhugger „ready for winter sailing“.

Wie ist es nun, im Winter zu segeln? Sicherlich anders als im Sommer, da es kälter ist – irgendwie logisch, oder? Es gibt da aber noch ein paar mehr Eindrücke und Erfahrungen, von denen ich erzählen möchte: Das fängt schon beim Ablegen an. Raus aus der Box, vor dem Steg die Segel hoch und los geht’s. Freies Wasser von der Scharfen Lanke bis zur Großen Breite und endlich mal keine Segelschulboote in unserer Bucht, die hin und her treiben und unnötige Wendemanöver erfordern. Herrlich.

Ja, es ist kälter als im Sommer. Warme Kleidung ist für Segler sicherlich kein Problem. Aber auch das Boot fühlt sich kälter an und ist auch tatsächlich kälter. Der/das GfK ist wirklich kalt am Arsch. Hier schafft das gut bewährte Kapok-Kissen Abhilfe. Also aufs Kissen gesetzt und gut ist. Mir, als Regattasegler, ist das völlig fremd. Es hilft aber wirklich. Vielleicht sind es auch die 50plus, die hier eine gewisse Sensibilität mit dem eignen Körper erfordern. 

Wintersegeln auf der Unterhavel - Photo © Kirstin 2020

Wintersegeln auf der Unterhavel – Photo © Kirstin 2020

Freies Wasser von der Scharfen Lanke bis zur Großen Breite und dem Wannsee. Nicht ganz. Hin- und wieder begegnen wir anderen Winterseglern. Und was machen wir? Wir winken uns zu! Eigentlich unvorstellbar auf den Berlin Gewässern in der Sommermonaten. Die wenigen Enthusiasten, die unterwegs sind, freuen sich einander zu begegnen. Der Mensch ist eben gesellig und braucht die Nähe von Gleichgesinnten.

Wintersegeln auf der Unterhavel - Photo © SailingAnarchy.de 2019

Wintersegeln auf der Unterhavel – Photo © SailingAnarchy.de 2019

Das Freie Wasser verleitet, unser Revier richtig auszunutzen. Soll heißen, gesegelt wird bis dicht ans Ufer – es gibt ja schließlich keine Ankerlieger oder Schwimmer. Übrigens: Die Tonnen, die normalerweise die Badestellen begrenzen, gibt es in den Wintermonaten nicht. Ohne Echolot und mit 1,44 m Tiefgang kommt da schon mal der Gedanke auf: Was ist, wenn wir jetzt im Schlick festsitzen?

Weit und breit kein Motorboot, keine DLRG (Betrieb auch eingestellt), ins Wasser möchte bei den Temperaturen auch niemand. Es wird also mit Bedacht und Erfahrung gesegelt. Gemieden werden die Stellen, die potentiell zu flach sein könnten. Als langjähriger Regattasegler kenne ich durchaus die eine oder andere Untiefe der Havel, die besser umfahren wird.

Wintersegeln auf der Unterhavel - Photo © Kirstin 2020

Wintersegeln auf der Unterhavel – Photo © Kirstin 2020

Apropos Wassertemperaturen: Als Regattasegler lege ich normalerweise eine Schwimmweste an, wenn die Wettfahrtleitung die Flagge Y setzt. Und jetzt im Winter, bei Wassertemperaturen um 5° Celsius denkst Du schon mal darüber nach, was ist, wenn Du über Bord gehst. Die Zeit bis zur Bewusstlosigkeit beträgt weniger als 30 min. Die Frage ist: Bekommen mich die Mitsegler innerhalb von 15 min aus dem Wasser bevor die Unterkühlung einsetzt? Ist da eine Schwimmweste noch hilfreich? Sicherlich schon, wenn mich die Mitsegler rechtzeitig aus dem Wasser bekommen. Also besser nicht über Bord gehen beim Wintersegeln.

Wintersegeln macht Spaß und ist reizvoll, weil Du nahezu der Einzige auf dem Wasser bist. Mit richtiger Kleidung, kompetenter Crew und warmen Getränken wird es zum Erlebnis.

Wind und Wetter: Es gibt wahrscheinlich viel weniger „schöne Tage“ als im Sommer, an denen das Segeln im Winter wirklich reizvoll ist. Jeder mögliche Tag sollte daher genutzt werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei einer Temperatur ab 7°/8° Celsius aufwärts ein gewisses Komfort-Empfinden einsetzt. Gefühlt passt die gewählte Kleidung zu den Temperaturen. Vor-dem-Wind wird es sogar zu einer Wohlfühltemperatur.

Wintersegeln auf der Unterhavel - Photo © Kirstin 2020

Wintersegeln auf der Unterhavel – Photo © Kirstin 2020

Der Wind ist gleichmäßiger und nicht so böig wie im Sommer, was das Segeln sehr entspannt macht. Wir sind glücklich und genießen die Zeit auf dem Wasser gerade im Winter. Die Yacht hat in der Ausgabe 01/2020 „GLÜCKS GEFÜHLE“ beschrieben und die Frage thematisiert: „Warum Segler einfach mehr vom Leben haben“

Haben wir Segler mehr vom Leben in Zeiten des Klimawandels?

Ich bedanke mich bei Kirstin (insbesondere auch für die tollen Bilder), Martin, Joachim, Christian & Michael für die schönen Stunden auf dem Wasser im Winter 2019/2020.

Tom Engel
Februar 2020

2 Gedanken über “Wintersegeln auf der Unterhavel

  1. K.E.

    Lieber Tom, WIR haben zu danken! Was für eine prima Idee, auch im Winter zu segeln und uns alle dazu einzuladen. Du hast so schön über das Wintersegeln berichtet, hoffentlich ist die Unterhavel im nächsten Winter nicht voll von Booten. 😉
    Es ist genau so wie Du sagst. Im Winter hockt man ja oft in der Bude und bekommt die Sonne eher selten ins Gesicht. Wie groß ist da die Freude, wenn dann ein sonniger Wintersegeltag auf der Unterhavel winkt, wie ein kleines Stück Freiheit, mitten in Berlin. Die Sonnenstrahlen saugt man förmlich auf, genießt sie dreimal mehr als im Sommer, denn sie erscheinen einem so kostbar. Geselliges Zusammensein, Ruhe und fröhliche Unterhaltung, dabei sanft geschaukelt vom Wind und entspannt segelnd dem plötzlich weit erscheinenden Horizont entgegen … Es erdet, macht glücklich und man hat immer das Gefühl etwas ganz Besonderes erlebt zu haben.
    Interessanterweise habe ich nie daran gedacht, dass jemand über Bord gehen könnte. Das liegt sicher daran, dass ich mich auf Deinem Boot sehr sicher fühle, weil ich merke, dass Du zu jeder Zeit den Überblick hast. Es könnte aber viel Spaß machen, das im Sommer mal auszuprobieren, so mit voller Montur ins Wasser. Und jeder sollte mal dran sein (Sicherheitstraining!).
    Tom, es macht viel Spaß, mit Dir zu segeln. Du bist ein toller Gastgeber auf Deinem Boot, sorgst Dich um Deine Crew und versorgst sie auch noch. Danke! LG Kirstin

  2. Norbert

    Hallo Tom,
    nachdem wir mal dankenswerter Weise Filou anschauen durften (Du erinnerst Dich?), haben wir tatsächlich auch einen Spaeki gekauft und zur Havel gebracht – allerdings die Family-Version. Und wir „füllen” gerade auch die Havel durch fleißiges Wintersegeln, vor allem, weil wir das Boot ja noch frisch haben.
    Wir machen auch die gleichen Erfahrungen wie Du, in Nuancen vielleicht anders. Ab ca. 2 bis 2,5 Stunden beginnt uns die Kälte schon unter die Kleidung zu kriechen, länger haben wir es bei 3 bis 7° noch nicht mit Wohlbehagen geschafft (darüber wird es tatsächlich wohlig). Obwohl unser Cockpit mit Holz belegt ist und sich gar nicht kalt anfühlt.
    Und wir haben LYKKE etwas aufgerüstet, mit einem Rettungsring und einer Not-/Bade-Strickleiter. Wir segeln auch nicht ohne Weste und immer zu zweit. Gibt ein gutes Gefühl.
    Wir segeln auch bei bewölktem Himmel, nur regnen sollte es nicht. Bei strahlend blauem Himmel letzten Samstag mussten wir uns sogar ein oder zweimal an die Vorfahrtsregeln erinnern. Zwischen Lanke und Großer Breite haben wir bestimmt 15 andere Segelschiffe gezählt ;-), darunter auch Laser und Surfer.
    Sonst ist es aber bis auf die Berufsschiffer (und die WSP, nie so oft getroffen wie aktuell) leer und wenn wir andere Segler sehen, sind es fast immer dieselben. Einmal haben wir noch einen Spaeki gesehen, waren aber nicht nah genug, um Name und Verein zu lesen.
    Jedenfalls ist es toll, auch in diesen Zeiten segeln zu können!
    Danke für Deinen Bericht!

    Norbert

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